Was heisst Generationenpolitik? :: Pfannenstiel-Tagung 2012

Wie sieht es heutzutage mit der Solidarität zwischen Alt und Jung aus? Dieser Frage ging die Pfannenstiel-Tagung der CVP am 29. September 2012 in der Krone Uetikon nach. Dabei hat die CVP Bezirk Meilen die Chancen und Herausforderungen der Generationenpolitik thematisiert. Es diskutierten Gäste aus Wissenschaft, Praxis und Politik.

Was Generationensolidarität heute heisst, das hat die Bezirkspräsidentin der CVP, Nicole Lauener, dieser Tage am eigenen Leib erfahren. Seit einem Unfall vor einer Woche geht sie an Krücken. «Ohne die Hilfe meiner Eltern wäre ich heute nicht hier», sagte die Erlenbacher Gemeinderätin und Mutter zweier Söhne während der Begrüssung. Die Generationensolidarität war das Hauptthema der diesjährigen Pfannenstiel-Tagung. Wie es mit der Solidarität zwischen Alt und Jung steht, dazu lieferte der Soziologe an der Universität Zürich, Klaus Haberkern, eingangs Analysen und Trends. «Die wichtigste Solidaritätsgemeinschaft in unserer Gesellschaft ist die Familie», stellte er fest. Diese informelle Unterstützung zwischen Eltern, Kindern und deren Grosseltern sei weder vertraglich geregelt noch werde sie entlöhnt. Sie wäre von staatlicher Seite auch nicht finanzierbar. «Ältere Menschen bis 80 geben mehr Unterstützung, als sie erhalten», sagte der Soziologe, «doch wird die Zahl von Leistungsempfängern über 80 wegen der steigenden Lebenserwartung in Zukunft zunehmen.»

Politik für alle Generationen?
Auch Haberkerns Prognosen über die Familie sind nachvollziehbar: «Instabilität, Heterogenität sowie Binationalität prägen die heutigen Familienbeziehungen und verlangen von den Beteiligten Flexibilität und Verantwortung ab.» Und da eine höhere Eigenverantwortung von der finanziellen Situation einer Familie abhängt, plädiert der Wissenschaftler für eine Aufteilung zwischen Individuum, Familie, Gemeinschaft und Staat.

Nach der Theorie von Haberkern folgte der Blick aus der Praxis: Heinz Altorfer ist Leiter Soziales beim Migros-Kulturprozent, wo er die Generationenakademie betreut. Der 63-Jährige vermittelt Impulse an Fachleute und freiwillig Engagierte, damit diese altersdurchmischte Projekte umzusetzen lernen. «Gibt es überhaupt eine Politik für alle Generationen in diesem Land, die einen sozialen Sinn hat?», fragte er ins Publikum. Altorfer kritisierte, dass die staatlichen Aufgaben innerhalb der Familienpolitik noch nicht einmal in der Bundesverfassung festgehalten sind. Immerhin rede man im Bundesamt für Sozialversicherung von Partizipationsgerechtigkeit. Und: «Es geht immer wieder darum, alle mit einzuschliessen.»

Den Politikern rät Altorfer, die Debatte in den Sessionen nicht auf Jung und Alt zu reduzieren. Sondern zwischen Kindern, Jungendlichen, Berufstätigen, Männern und Frauen, Familien und Senioren zu differenzieren. Nur so könne man Konflikte im öffentlichen Raum angehen. Auch gelte es, die Überalterung nicht nur auf den ökonomischen Aspekt zu reduzieren. Die Männedorfer Nationalrätin Barbara Schmid-Federer (CVP) richtete sich ans Publikum und erzählte, warum sie in die Politik eingestiegen war. «Seit der Geburt meines ersten Sohnes gings bei mir nicht mehr auf.» Die damals 29-jährige Mutter erfuhr am eigenen Beispiel, dass Kinderbetreuung Privatsache war. Was noch vor zwei Generationen als Familienstruktur die Menschen unterschiedlichen Alters verband, darauf kann sich eine heutige Familie nicht mehr stützen. Es brauche eine öffentliche Debatte, damit die Menschen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und Sichtweisen nicht weiter auseinanderdriften, sondern sich näherkommen.

Immer weniger Tradition
Mit ihren Vorstössen wie der Entlastung von pflegenden Angehörigen eckt Barbara Schmid-Federer nach eigener Aussage nicht nur in Bern an. Bei der Unterschriftensammlung für die Initiative für eine steuerliche Entlastung für Familien mit Kindern erntete sie vor allem bei älteren Personen ein Kopfschütteln: «Wir haben auch zahlen müssen, jetzt sind die heutigen Familien dran.» Diese Haltung müsse sich ändern, denn je länger, je weniger werde es die traditionelle Familie geben, bei der die Mutter ausschliesslich zu Hause arbeitet.

Heinz Altorfer doppelte nach: «Die Familie ist nicht sakrosankt.» Probleme sollten aber nicht nur zwischen Staat und Familie gelöst werden, sondern der Staat solle die Rahmenbedingungen stärken. Klaus Haberkern fügte bei: «In einer Zeit, da mehr Frauen ein Hochschulstudium abschliessen, braucht es Modelle, die den Mann integrieren.»

Maria Zachariadis, Zürichsee-Zeitung, 1. Oktober 2012