Welche Schule wollen wir? :: Pfannenstiel-Tagung 2008

Vier Experten haben an der Pfannenstiel-Tagung der CVP ihre Vorstellungen für die Schule von heute diskutiert. Diese solle sich wieder mehr um die Kinder kümmern, fanden sie.
Turnen und Sprache waren anno dazumal die Lieblingsfächer von SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr. «Ich habe schon damals gern geredet», erklärte sie und erntete damit das erste Lachen des Morgens. Jacqueline Fehr hatte einiges zu sagen – über ein Thema, das derzeit in aller Munde ist: die Schule. Oder wie der Titel der Pfannenstiel-Tagung der CVP vom 13. September 2008 in Herrliberg lautete: «Welche Schule wollen wir?»
Neben Fehr nahmen auf dem Podium unter der Leitung von CVP-Bezirkspräsidentin Nicole Lauener auch Robert Rauschmeier, Leiter der Mittelstufe der Montessori-Schule Blüemlisalp in Zürich, Barbara Schmid-Federer, CVP-Nationalrätin aus Männedorf sowie Schulevaluator und Schulentwickler Rolf Käppeli (Uetikon) Platz.
«Die Schule braucht Lehrer, die auf Kinder eingehen», erklärte Robert Rauschmeier gleich zu Anfang der Diskussion. Und auch Rolf Käppeli fand: «Mir sind die Lehrer in Erinnerung geblieben, die mich begeistern konnten.» Können die Lehrer heute noch begeistern, oder sind die Klassen zu gross für Individualismus? «Die Klassengrösse ist nicht der einzige Parameter», sagte Jacqueline Fehr: «Eine kleine Gruppe hat auch Nachteile, weil der soziale Spielraum der Schüler immer enger wird.»
Natürlich hätte auch Käppeli lieber 20 statt 28 Schüler in einer Klasse: «Die Betreuung ist einfach besser.» Wobei er als Evaluator auch Schulen gesehen habe, wo eine gute Betreuung grosser Klassen möglich sei. Viele Lehrer würden gern auf die Schüler eingehen, doch sie könnten es sich zeitlich nicht leisten. «Das Problem ist, dass sie denken, sie müssten das alleine machen.»
Einen Lehrer, der auf ihren Sohn eingeht, das hätte sich Barbara Schmid-Federer schon länger gewünscht: «Unser Sohn wurde immer aggressiver.» Sie habe schon sehr früh gedacht, dass er unterfordert sei: «Aber dann heisst es ja, die Eltern würden ihr Kind pushen.» Erst Jahre später habe ihr eine Lehrerin recht gegeben und gesagt, dass ihr Sohn unterfordert sei und dies mit seiner Aggression zum Ausdruck bringe.
Auch das Schlagwort «Wohlfühlschule» kam auf. Dieser Ausdruck sei zu sehr in ein schlechtes Licht geraten, erklärte Jacqueline Fehr: «Denn was gibt es Besseres, als eine Schule, in der sich alle wohl fühlen?» Der Blick ins Ausland, nach Schweden etwa, zeige, dass solches möglich sei: «Dort gehen die Kinder früh am Morgen zur Schule und kommen abends wieder nach Hause. Das gibt den Kindern und den Lehrern viel mehr Zeit für alles, mehr Raum für Individualität und auch mehr Zeit, gegenseitig aufeinander einzugehen.»
Er habe, sagte wiederum Rolf Käppeli, einmal vorgeschlagen, dass die Lehrer alle acht Jahre eine Pause einlegen sollten. «Ich erlebe einen beachtlichen Teil von Lehrern, die nie etwas anderes sehen.» Auch wünsche er sich mehr Praxisbezug. Die Lehrer selber, sagte Barbara Schmid-Federer, die selber ausgebildete Gymnasiallehrerin ist, kritisierten hingegen die Kontrolle ihrer Arbeit und empfänden sie als zu gross. Worauf Käppeli entgegnete, dass die Beobachtung der Schule in anderen Ländern längst üblich sei und die Qualität der Schule unbedingt überprüft werden müsse. Ausserdem erinnerte er daran, dass es Personalführung erst seit der Einführung der geleiteten Schule gebe.
Das Gespräch kam auch auf das Thema freie Schulwahl: «Das Dümmste, was man der Schule jetzt noch antun kann», sagte Jacqueline Fehr zur aktuellen Diskussion. Es habe sich allerdings gezeigt, dass die Kinder dort hingehen wollten, wo auch alle anderen hingingen. Die Angst, dass irgendwann alle Kinder in Privatschulen oder die Rudolf-Steiner-Schule gehen würden, sei unbegründet: «Die grösste Nachfrage besteht noch immer nach einer funktionierenden Volksschule.» Diese, fand Robert Rauschberger, müsste folgendermassen aussehen: «Ich stelle mir eine Schule vor, welche die Kinder so gerne besuchen, dass sie weinen müssen, wenn sie in in die Ferien gehen.»
(Tages-Anzeiger)